OLDIES
CDs
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NEUES
AUS
DER
M U S I K W E L T
von Franz
Schöler
Franz Schöler ist seit über 40
Jahren aufmerksamer Be-
obachter der Musikszene. In
STEREO kommentiert er neu
erschienene Aufnahmen der
Rock- und Popgeschichte.
Led Zeppelin
LED ZEPPELIN IV - DELUXE
Atlantic 2 CDs (p) 1971 (auch als LP erhältlich) (83’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
HOUSES OF THE HOLY - DELUXE
Atlantic 2 CDs (p) 1973 (auch als LP erhältlich) (77’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★ _
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Mit einer überwältigenden Deu-
tung des Traditionais „The Battle
Of Evermore“ reklamierte Led Zep-
pelin auf op.
4
Folk-Kompetenz min-
destens so bravourös wie bei eini-
gen Songs des voraufgegangenen
Meisterwerks. Aus Folk-Wurzeln
bezog auch „Stairway To Heaven“
seine Kraft. Für das Folk-Flair von
„Going To California“ sorgte neben
Page an akustischer Gitarre mehr
noch John Paul Jones an der Man-
doline. Als Kansas Joe und Mem-
phis Minnie
1930
mit „When The
Levee Breaks“ die Verheerungen
durch die große Flut des Mississip-
pi beklagten, war Blues noch Folk
Music! Die epische Interpretation
dieses Stücks wurde zu einer Stern-
stunde der Band. Von acht Songs
sechs überragend gelungen war
eine Bilanz, vor der auch vormals
ungnädige Kritiker kapitulierten.
Nur konnte die Band zwei
Jahre später die-
sen kreativen Hö-
henflug nicht auf
gleicher Höhe fort-
setzen.
„Houses
Of The Holy“ war
Patchwork, das ei-
ne Schreibblockade
signalisierte.
Was Jimmy
Page Mas-
tering-ln-
ge n i e u r
John Davis als Zielvorgabe auftrug,
ist nach der nun zur Hälfte vor-
liegenden Neu-Edition aller Zep-
pelin-Alben ziemlich klar. Etliche
der wichtigsten und im Klang allen
Fans geläufigsten Aufnahmen wur-
den - bis auf mal einen anderen Pe-
gel und kleinere Retuschen - unver-
ändert wie beim letzten Remaste-
ring überspielt. Will sagen: Die be-
liebtesten ihrer Hardrock-Ohrwür-
mer waren weithin tabu! Fast schon
spektakulär besser klingen dage-
gen die akustischen Folk-Aufnah-
men des vierten Albums. Leicht ent-
geistert darf man bei der Deluxe-
Edition konstatieren: Die Alter-
nativ-Mixes von „Rock And
Roll“ und „When The Levee
Breaks“ auf der Bonus-CD
klingen Klassen
besser als die
Album-Remas-
ter!
Für
Fans
deshalb unver-
zichtbar.
OLDIE
DES
MONATS
Chuck Berry
ROCK AND ROLL MUSIC ANY
OLD WAY YOU CHOOSE IT - THE
COMPLETE STUDIO RECORDINGS,
PLUS
Bear Family 16 CDs (Preis: zirka 360 Euro)
(1.271’)
REPERTOIREWERT
★ ★ ★ ★
ÜBERSPIELQUALITÄT ★ ★ ★ ★ ★
Im Vorwort preist ihn Paul McCartney
als „one of the greatest poets Ame-
rica has produced“. Tatsächlich hat
unter den Dichterfürsten des Rock
,n‘ Roll kaum jemand nachfolgen-
de Generationen mehr fasziniert als
Chuck Berry - auch mit seinen Songs
über den Rock ,n‘ Roll wie „Roll Over,
Beethoven“, „Sweet Little Sixteen“
und „Rock And Roll Music“.
Während Elvis Pres-
ley erstklassige Song-
writer wie Otis Black-
well oder immer wieder
Jerry Leiber und Mike Stol-
ler zuarbeiteten, schrieb
Chuck Berry - bis auf die
Blues-Klassiker der bei sei-
ner Plattenfirma angestell-
ten Kollegen - fast all sei-
ne Songs selber. Und konn-
te sich darauf mit Recht viel ein-
bilden. Als ihn der „New Musical Ex-
press“ anlässlich einer
196 4
anste-
henden England-Tournee fragte,
welche seine zehn absoluten Lieb-
lings-Singles seien, nannte er zehn
eigene! Allen voran „Maybellene“,
„School Day“ und „Sweet Little Six-
teen“, letzterer Song mit mehr als drei
Millionen Singles allein daheim un-
gleich erfolgreicher als alle von Little
Richard! Letzterer Musiker brachte es
wiederum kurz zum Filmstar in Frank
Tashlins Komödie „The Girl Can’t Help
It“. Aber dann wurde er fromm und
dankte als Konkurrent ab, während
Chuck Berry mit immer neuen Songs
Beach Boys („Surfin’ USA“), Beatles
(„Back In The U.S.S.R.“) und Rolling
Stones (große Coverversionen) ins-
pirierte. Was immer zwischen
1955
und
1979
von seinen Studioaufnah-
men als final masters freigegeben
wurde, findet man auf den ersten
elf CDs des Box Sets. Also nicht
endlos Alternativ- oder Outtakes
und Demos, allerdings auch prima
Remixes, neben den Hits auch die
(relativen) Flops und Raritäten wie
das von Ry Cooder aufgenommene
„13
Question Method“ oder das von
Keith Richards mal in fabelhafter
Aufnahme als Solo-Single vorge-
legte „Run Rudolph Run“; dazu vie-
le Blues-Instrumentals. Sein Faib-
le für Blues war kein Geheimnis,
deswegen bestritt er die Auftritte
mit der Steve Miller Band
19 6 7
im
Fillmore in San Francisco fast kom-
plett. Und Bill Graham stellte ihn
damals als „the big big daddy of
the moment“ vor. Neben den Ein-
spielungen seiner Mercury-Jahre
findet man hier auch seine letzte
Studio-LP „Rockit“.
Keine Blöße gab man sich in Sa-
chen Überspielqualität. Bislang war
die von Erick Labson remasterte „An-
thology“ von
2000
klanglich das Maß
der Dinge. Auf diesem Niveau wird
auch hier das Vermächtnis von Chuck
Berry beim Label Bear Family präsen-
tiert - ein Monument.
Love
LOVE SONGS
Salvo/Soulfood 2 CDs
(119’)
REPERTOIREWERT
ÜBERSPIELQUALITÄT
Als Love am
3 0
. Januar
196 8
„Your
Mind And We Belong Together“ in
der Ur-Besetzung aufnahmen, benö-
tigten sie dafür
44
Takes. Der Frust,
der sich bei diesen Pionieren des
Psychedelic Rock ob der andauern-
den Erfolglosigkeit aufgestaut hatte,
besiegelte das Ende einer Band, die
- auch wenn in England populärer
als daheim und mit zwei LPs in den
Top
30
der Hitparade - nie über Kult-
status hinaus kam. Auch die
1995
von Rhino in der Anthology-Serie
sorgfältig edierte „Love Story“ ist
längst nicht mehr verfügbar.
Der Autor der Liner Notes dieser
neuen „Love Songs“ macht es An-
fängern in Sachen Love allerdings
nicht leicht. Er behauptet ernst-
haft, dass Frontmann Arthur Lee
„the most enigmatic and arguab-
ly the most cherished“ unter den
Rock-Größen von Los Angeles ge-
blieben sei, im Gegensatz zu an-
deren „either burned out or faded
away“. Womit er wohl Jim Morrison
meint. (Oder John Phillips, den zum
Junkie und Dealer heruntergekom-
menen Kopf der Mamas and Papas?)
Fakt
ist,
dass mit ei-
nem Drum-
mer, der da-
mals schon
schwer he-
roinabhän-
gig war, Love
einfach nicht in derselben Liga spiel-
te wie andere Bands der Szene in
Los Angeles von Byrds bis Zappas
Mothers of Invention. Rätselhaft
bleibt trotzdem, warum Elektra-Boss
Jac Holzman ab
19 6 7
solchen Erfolg
mit den Doors hatte, aber trotz fa-
belhafter Ohrwürmer wie
„ 7
&
7
is“
oder „Alone Again Or“ niemals mit
Love. Oder Tim Buckley, dem größ-
ten Talent von allen!
Als besten Ersatz für die Rhino-An-
thologie legt Salvo für nachgebore-
ne Fans „Love Songs“ vor, sich ganz
auf die drei kreativen Jahre der Band
konzentrierend, für alle Fälle das Al-
bum „Forever Changes“ komplett im
Original-Mix. „Love Songs“ erweist
sich somit als kleine „Very Best
of“-Nachlese, mit der man zumin-
dest einen sehr guten ersten Über-
blick gewinnt - bevor man sich viel-
leicht den richtigen Durchblick ver-
schaffen möchte.
138 STEREO 1/2015
★ ★ ★ ★ ★ hervorragend I ★ ★ ★ ★ sehr gut I ★ ★ ★ solide I ★ ★ problematisch I ★ schlecht